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ADVOCACY

POLITISCHE ARBEIT

Tausende von Menschen vor den Toren Europas ertrinken zu lassen, ist inakzeptabel. Geleitet von humanitären Grundsätzen und dem internationalen Seerecht setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, dass die Pflicht zur Seenotrettung eingehalten und jedem Menschen in Seenot Hilfe geleistet wird - unabhängig von seiner Herkunft.

Wir fordern die Rettung aller Personen in Seenot durch koordinierte und transparente Rettungseinsätze sowie ihre Anlandung an einem sicheren Ort.

42.715

Von SOS MEDITERRANEE seit 2016 gerettete Menschen
*zuletzt aktualisiert: 08.09.25

33.200

Menschen, die seit 2014 im Mittelmeer ihr Leben verloren haben
*zuletzt aktualisiert: 11.12.25

UNSERE PRIORITÄTEN

Seit 2014 sind mehr als 32.000 Menschen im Mittelmeer verschollen oder verstorben (Quelle: Internationale Organisation für Migration - IOM, September 2025). Doch seit dem Ende der staatlichen Seenotrettungsoperation Mare Nostrum unter der Leitung Italiens zwischen Oktober 2013 und November 2014 herrscht im zentralen Mittelmeer eine gravierende staatliche Rettungslücke.

Der Rückzug europäischer Staaten aus ihrer Rettungsverantwortung und die zeitgleich eskalierende humanitäre Krise im zentralen Mittelmeer, führte 2015 zur Gründung des internationalen Netzwerks SOS MEDITERRANEE. Die europäische humanitäre zivile Organisation wurde mit dem Hauptziel gegründet, Rettungseinsätze auf See durchzuführen. Hierfür wurde ab 2016 zunächst das Rettungsschiff Aquarius gechartert. 2019 wurde die Aquarius von der Ocean Viking abgelöst. Seit 2016 führen unsere Teams Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer durch. Unsere Mission wird dabei von wichtigen Kernprinzipien geleitet: Leben retten, schützen & begleiten, und bezeugen.

HERAUSFORDERUNGEN

Heute, fast 10 Jahre nach Beginn unserer Einsätze, erleben wir weiterhin aus erster Hand gravierende Defizite bei der dringend benötigten Bereitstellung flächendeckender Such- und Rettungseinsätzen im zentralen Mittelmeer: Der Mangel an Ressourcen ist eklatant und fehlt es an einer effektiven staatlichen Koordinierung der Einsätze.

Zusätzlich beobachten wir insbesondere seit 2024 mit großer Besorgnis die zunehmende Präsenz staatlicher und nichtstaatlicher bewaffneter Akteure auf dem Meer, die immer wieder Rettungseinsätze stören, Waffengewalt anwenden und damit die Sicherheit von Menschen in Seenot und humanitären Helfer*innen gefährden. Am 24. August 2025 wurde die Ocean Viking in internationalen Gewässern von der libyschen Küstenwache vorsätzlich angegriffen und ohne Vorwarnung 20 Minuten lang mit Dauerfeuer beschossen.

 

GEFÄHRDUNG VON GRUNDPRINZIPIEN BEZEUGEN

In den letzten neun Jahren haben wir den Erosionsprozess fundamentaler Prinzipien des Seerechts und des Völkerrechts im Mittelmeer beobachtet. Die Europäische Union und einige ihrer Mitgliedstaaten haben sich fast vollständig aus der Seenotrettung im Mittelmeer zurückgezogen. Stattdessen beteiligen sie sich seit Jahren aktiv an der Ausbildung, Ausrüstung und finanziellen Unterstützung der libyschen Küstenwache.

Als Ergebnis führt die libysche Küstenwache seit Jahren im großen Stil illegale Rückführungen durch: Menschen in Seenot werden auf dem Meer abgefangen und gewaltsam nach Libyen zurückgezwungen, wo sie erneut in einen Kreislauf aus Gewalt, Ausbeutung, Missbrauch und willkürlichem Freiheitsentzug geraten. Libyen ist kein sicherer Ort für aus Seenot gerettete Menschen.  

UNSERE FORDERUNGEN

SOS MEDITERRANEE fordert, dass die Verpflichtung, jedem in Seenot geratenen Menschen zu helfen, über allen anderen Erwägungen steht und formuliert folgende Forderungen an die Europäische Union:

1. Gewährleistung des Zugangs zu Menschen in Seenot.

Im zentralen Mittelmeer herrscht eine humanitäre Notlage. Seenotrettung ist Pflicht und muss gewährleistet werden. Die Achtung vor dem menschlichen Leben – jedem einzelnen menschlichen Leben –muss dabei immer Vorrang vor allen anderen Überlegungen haben. Überlebende an Bord von Rettungsschiffen sind schutzbedürftig und müssen mit Würde und Menschlichkeit behandelt werden. Das Mittelmeer muss als humanitärer Raum anerkannt werden, in dem der Schutz von Leben Vorrang vor politischen oder vermeintlichen Sicherheitserwägungen hat.  

2. Effektive Koordinierung der Such- und Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer.

Die europäischen Mitgliedsstaaten müssen sich aktiv an der effektiven Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen beteiligen. Hierfür braucht es wirksame und rechenschaftspflichtige Rettungsleitstellen, die internationale Menschenrechte achten und nach dem geltenden Seerecht agieren – nicht die Auslagerung von Verantwortung an unsichere Akteure. Nach geltendem Recht ist ein Rettungseinsatz erst dann abgeschlossen, wenn die geretteten Personen an einem sicheren Ort an Land gegangen sind. Die Anlandung darf nicht verzögert werden. Libyen und Tunesien erfüllen nicht die rechtlichen Anforderungen eines sicheren Ortes!

3. Erweiterung der Rettungskapazitäten im zentralen Mittelmeer.

Es müssen ausreichend und angemessen ausgestattete Rettungsschiffe im Mittelmeer eingesetzt werden, um eine vollständige Abdeckung der Such- und Rettungsregion zu gewährleisten. Öffentliche Gelder müssen in effiziente Such- und Rettungsdienste umgeleitet werden. Die Finanzierung der libyschen Küstenwache durch die Europäische Union muss eingestellt werden.  

4. Schutzgarantien für humanitäre Akteure auf See statt Kriminalisierung ziviler Seenotrettung.

Kriminalisierung, administrative Behinderung und Verleumdungskampagnen gegen zivile Such- und Rettungsorganisationen verschlimmern die humanitäre Notlage im zentralen Mittelmeer. Außerdem schaffen sie ein Umfeld der Feindseligkeit und der Straflosigkeit, das Angriffe auf humanitäre Akteure begünstigt und somit die Sicherheit humanitärer Helfer*innen auf See und an Land gefährdet. Zivile Seenotrettungsorganisationen, die im Einklang mit internationalem Seerecht der humanitären Verpflichtung nachkommen, Menschen in Seenot zu retten, müssen geschützt werden.

5. Sofortiges Ende der europäischen Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache.

Die libysche Küstenwache hat sich als ungeeignet erwiesen, als legitime Behörde auf See auf See zu gelten. Wir fordern die Aufhebung des Memorandum of Understanding zwischen Italien und Libyen aus dem Jahr 2017 und die sofortige Einstellung jeglicher finanziellen, materiellen und operativen Unterstützung für die libysche Küstenwache. Hierzu zählen insbesondere Schiffe, Ausbildungsprogramme und technische Unterstützung, die nachweislich zu gewalttätigen und rechtswidrigen Handlungen auf See beigetragen haben. Das EU-finanzierte Programm zur Unterstützung der integrierten Grenz- und Migrationskontrolle in Libyen (SIBMMIL) muss eingestellt werden.

6. Einleitung einer umfassenden, unabhängigen und transparenten Untersuchung des bewaffneten Angriffs auf die Ocean Viking durch die libysche Küstenwache am 24. August 2025

Wir fordern eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls und die Rechenschaft der Verantwortlichen nach nationalem sowie internationalem Recht. Die Anerkennung der libysche Such- und Rettungsregion durch die IMO muss vor dem Hintergrund des bewaffneten Angriffs der libyschen Küstenwache auf die Ocean Viking suspendiert und neu überprüft werden. EU und italienische Behörden, die die libysche Küstenwache materiell unterstützen, müssen ihre Verantwortung bei der Bereitstellung, Ausbildung und Unterstützung des am Angriff beteiligten Schiffes sowie des Personals überprüfen.

SICHERER HAFEN

Das internationale Seerecht schreibt die Anlandung von geretteten Personen an einem "sicheren Ort" vor. Das Internationale Übereinkommen über die Suche und Rettung auf See besagt, dass eine Rettung erst dann abgeschlossen ist, wenn die geretteten Personen an einem "sicheren Ort" an Land gebracht wurden, d. h. an einem Ort, an dem ihr Leben nicht gefährdet ist und an dem die Geretteten Nahrung, Unterkunft und medizinische Versorgung erhalten können. Libyen und Tunesien erfüllen diese Kriterien nicht. Die Menschen sind dort teilweise schwerster Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

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