Koseys* Flucht vor Gewalt und Ausbeutung in Libyen
Kosey aus Ägypten hat Folter, die Flucht aus Libyen und vier Tage auf See überlebt. Lies über seine bewegende Flucht über das zentrale Mittelmeer.
Koseys* Flucht vor Gewalt und Ausbeutung in Libyen
Kosey
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Kosey aus Ägypten hat Folter, die Flucht aus Libyen und vier Tage auf See überlebt. Lies über seine bewegende Flucht über das zentrale Mittelmeer.
Als die Ocean Viking am 30. Oktober 2024 in der maltesisch-tunesischen Such- und Rettungszone ein überfülltes Holzboot mit 25 Männern an Bord entdeckte, gehörte Kosey* aus Faiyoum in Ägypten zu den Geretteten. Von dem Moment an, als das Rettungsteam mit den Schnellbooten (RHIBs) näherkam, wich das Lächeln nicht mehr aus seinem Gesicht. Immer wieder bedankte er sich bei der Crew, denn er war erleichtert, endlich in Sicherheit zu sein.
Doch Koseys Weg bis zu diesem Tag war von Leid, Mut und Überlebenswillen geprägt. Diese Fluchtgeschichte aus Libyen zeigt, was Menschen auf der Suche nach Sicherheit durchleben müssen.
Warnung: Der folgende Text enthält Schilderungen von Gewalt.
„Nach der Revolution 2011 wurde in Ägypten alles teurer. Ich fing mit zehn Jahren an zu arbeiten, aber das Geld reichte kaum für das Nötigste“, erzählt er.
Mit 19 beschloss Kosey, nach Libyen zu gehen – auf der Suche nach Arbeit, um seine Familie zu unterstützen. Sein Vater war körperlich beeinträchtigt und seine Brüder im Militärdienst, weshalb er sich verantwortlich fühlte. Doch kurz nach seiner Ankunft wurde er von bewaffneten Männern entführt, in einem Container festgehalten und gefoltert, um Lösegeld zu erpressen.
„Sie haben uns mit Stromschlägen gefoltert und mir die Nägel herausgerissen. Ich konnte fliehen, als ich einmal den Müll rausbringen durfte. Sie schossen in meine Richtung, aber ich schaffte es, weit genug wegzulaufen. Ein alter Mann fand mich und fuhr mich zurück zur Grenze, wo ich nach Ägypten zurückkehren durfte.“
Arbeiten und Überleben in Libyen
Nach seiner Rückkehr nach Ägypten musste Kosey den Militärdienst ableisten. In dieser Zeit starb sein Vater. “Ich musste meinen Vorgesetzten anflehen, um die Erlaubnis zu bekommen, meine Familie zu sehen. Ich durfte nur eine Woche Urlaub nehmen, um mit meinen Lieben zu trauern. Als ich zum Militär zurückkehrte, war meine Familie ärmer denn je.”
Nach drei Jahren ohne Perspektive und ohne Einkommen im Militärdienst, ging er erneut nach Libyen. Doch dort erlebte er erneut Gewalt: „Ich arbeitete als Elektriker. Doch bald hörte ich immer mehr Geschichten von Menschen, die entführt wurden und ich begann, Angst zu haben das Haus zu verlassen. Eines Tages wurde ich gerufen, um in der Wohnung eines Mannes eine Steckdose zu reparieren. Plötzlich drückte er mich gegen die Wand, hielt mir ein Messer an den Hals und verlangte 2.000 Dollar. Ich sagte ihm, dass ich kein Geld habe, dass ich für ihn arbeite und er mich bezahlen müsse. Doch er ließ mich nicht gehen. Ich musste 2.000 Dollar auftreiben, um von einem Mann freigelassen zu werden, der eigentlich mein Kunde sein sollte.“
Der riskante Weg nach Europa über das zentrale Mittelmeer
Von Angst und Ausbeutung zermürbt, suchte Kosey nach einem Ausweg – Richtung Europa. Nach mehreren Betrugsversuchen landete er schließlich mit 24 weiteren Menschen auf einem kleinen Boot. Jede*r erhielt nur ein Croissant und eine halbe Flasche Wasser. Vier Tage trieb das Boot in stürmischer See.
„Wir hielten uns gegenseitig fest, um nicht über Bord zu gehen. Wir fühlten uns, als wären wir schon tot. Dann sahen wir euer Schiff und die orangefarbenen Boote, die auf uns zukamen. In dem Moment begann mein Herz wieder zu schlagen.“

Kosey wurde von der Crew der Ocean Viking gerettet. Er erzählt seine Geschichte, damit die Welt erfährt, was Menschen auf der Flucht aus Libyen über das zentrale Mittelmeer durchmachen müssen.
*Name geändert
Credits: Camille Martin Juan / SOS MEDITERRANEE
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